Gestern habe ich kurz meine tiefe Dankbarkeit für meinen bisherigen Weg ausgedrückt. Er ist nicht stromlinienförmig verlaufen und wurde bis heute von vielen gelungenen Momenten, aber auch einigen Rückschlägen geprägt. Das mir geschenkte Vertrauen von Menschen in Entscheidungspositionen, war der wichtigste Faktor, wenn es “funktioniert” hat. Mir wurde eine große Chance gegeben, die ich dann im Idealfall auch nützen konnte. An anderen Tagen war ich in meiner persönlichen Entwicklung noch nicht weit genug, um die mir dargebotene Bühne zu nützen und mich zu beweisen. Diese Misserfolge waren dann immer die größte Triebfeder, nach den Ursachen zu suchen und dadurch die Weiterentwicklung zu fördern. Ich habe dabei zwei sehr wichtige Dinge gelernt: Nie die Schuld bei den Anderen suchen, sondern sich immer die ehrliche Frage stellen: “Was kann ich -in meinen Möglichkeiten, in meinem Handwerk - verbessern”. Die zweite, sehr heilsame Weisheit: Man kann nicht allen gefallen. Das war für einen - fast harmoniesüchtigen - Menschen wie mich die schwierigste Lektion.
Es heißt ja immer wieder, dass man viel Glück haben muss. Meiner Erfahrung nach - auch wenn ich die Wege vieler Kolleginnen und Kollegen beobachte - ist es so, dass jeder Mensch, der sein Handwerk - seinem eigenen Potential folgend - bestmöglich und mit einem großen Maß an ehrlicher Selbstkritik (!) ausübt, wird früher oder später die oben besprochenen Chancen bekommen. Irgendwann. Und wenn dann so eine Möglichkeit auftaucht, steht dahinter meistens eine Person, die sagt: Mach das, ich vertraue Dir! Im -zugegeben sehr seltenen - Idealfall heißt es dann noch: “Mach Dir keinen Druck, auch wenn irgendetwas schief gehen sollte, ist das kein Problem”. Dieses Vertrauen gibt Ruhe, gibt Sicherheit - und ist die Basis für Höchstleistungen.
Ein berühmter Fußballtrainer hat einmal über den Erfolgsfaktor Fehlertoleranz gesprochen. Nur wenn wir Fehler zulassen und daraus lernen, entwickeln wir uns weiter. Fehlervermeidung wird immer zur Vorsicht führen, die wiederum verhindert, dass man - frei schwingend und ohne Filter - sein gesamtes Potential ausschöpft. Bei einem Gastspiel in der Elbphilharmonie hat Adam Fischer zu den Wiener Philharmonikern kurz vor der Anspielprobe gesagt: “Ich erwarte heute von Ihnen sieben Fehler. Mindestens. Die Hauptsache ist, dass sie nicht ohne Risiko spielen.”
Apropos Risiko: Mein Staatsoperndirektor Dominique Meyer hat mich beispielsweise gerne - und zum Glück immer wieder - mit den größten Partien einfach ins kalte Wasser geworfen. Im Nachhinein und überhaupt bin ich ihm sehr, sehr dankbar. Gott sei Dank bin ich fast immer immer geschwommen. Ohne dieses, sein Vertrauen, wäre ich jetzt nicht da, wo ich sein darf, als Sänger und Persönlichkeit. Mein Manager hat vor vielen Jahren ein Brahms-Lied auf YouTube gehört. Martin hat es gefallen, er hat mich angerufen und mir dann in der Folge einen Liederabend bei der EXPO in Mailand verschafft. Das Konzert ist erfolgreich verlaufen und auch die ersten nachfolgenden Vorsingen konnte ich erfolgreich gestalten. Mir wurde vertraut und ich war einfach “weit genug”, um dieses Vertrauen zu bestätigen. Der Rest ist eine auf Freundschaft basierende Zusammenarbeit und eine wunderbare Geschichte, die bis heute bestens funktioniert.
An der Semperoper Dresden, meinem ersten großen Opernhaus, war es dann ein besonders lustiger Faktor, der zu meinem Engagement (und vielen Folgeauftritten) führen sollte. Die damalige Operndirektorin hatte in einer Sitzung mit ihrem Stab drei Namen auf dem Tisch liegen, um den vakanten Papageno in einer Zauberflöten-Serie zu besetzen. Ich kam frisch vom Young Singers Project bei den Salzburger Festspielen und war hier so etwas wie ein aufgehender Stern, aber zumindest in Deutschland noch völlig unbekannt. Alle drei vorgeschlagenen Sänger hätten die Qualifikation zumindest am Papier gut erfüllt. “Wir haben uns die ähnlichen Lebensläufe durchgelesen und dann haben wir uns einfach für den Burschen mit dem lustigsten Namen entschieden”, hat sie mir später erzählt.
Mein bestens vorbereitetes Debüt war ein Erfolg und ich wurde wieder eingeladen. Eine solche Wiedereinladung ist wahrscheinlich das schönste und ehrlichste Kompliment, welches man als Künstler erhalten kann.