Back on track. Während ich diese nachdenklichen Zeilen verfasse, fliege ich mit einer kleinen Propellermaschine von Lissabon nach Porto. Während ich so aus dem Fenster auf die kleinen Lichter und die Küste schaue, bin ich sehr dankbar, dass mich mein Weg dieses Mal in ein Land geführt hat, wo die unglaublich hohe freiwillige Impfquote dazu führt, dass das kulturelle und soziale Leben fast ganz normal ablaufen kann und ich wieder einmal ohne gröbere Einschränkungen meiner großen Leidenschaft, meiner Berufung nachgehen darf. Es fühlt sich fast an, als würde man kurz in die Vergangenheit oder gar eine andere Welt reisen. Ich bin sehr berührt, da mir bewusst wird, wie selten und kostbar diese Momente geworden sind. Wir bringen hier in Portugal am Freitag und Samstag das Weihnachtsoratorium zu Gehör. Mit allem was dazugehört, dem Chor und Orchester, den Solist:innen- wird dieses Meisterwerk zweimal vor - bis auf den letzten Platz - ausverkauftem Haus im Casa da Música in Porto aufgeführt.
Vor 2 Jahren hätte ich so ein Konzert wahrscheinlich für selbstverständlich(er) gehalten. Im alten "Normalfall" - die Anführungszeichen könnten in diesem Kontext von keiner größeren Bedeutung sein - hätte ich die Zeit im Flugzeug allerdings nicht zum Nachdenken oder gar zum Niederschreiben meiner mitfliegenden Gedanken nützen können: Diese kostbare Stunde hätte ich intensiv nützen müssen, um mich irgendwie vom letzten Projekt zu erholen und mich gleichzeitig, last minute, aber professionell-schnell auf das nächste Werk einzustellen. Immer wieder den Schalter für nächste Aufgabe umlegen. Den Klavierauszug nochmal schnell memorieren, kleine stimmliche Details mental durchzugehen. Funktionieren. Es ist schön, wenn es von Projekt zu Projekt geht, absolut keine Existenzängste herrschen und man auf einer positiven Welle der Energie und des Erfolgs getragen wird. Aber es ist auch gut, Zeit zu haben. Zeit um eine Sache in Ruhe und gewissenhaft zu machen. Das habe ich während der Pandemie sehr schätzen gelernt und werde versuchen, diese Errungenschaft so gut wie möglich in meinen zukünftigen Plänen zu berücksichtigen. Mir ist bewusst geworden, welch ein Luxus es ist, sich ganz in Ruhe vorbereiten und dann auf der Bühne frei schwingen zu können. Für die kommenden Tage wünsche ich mir, diese besonderen, privilegierten Momente genießen zu können. Egal wo: Im Flugzeug, in Porto, auf der Bühne. Das könnte sehr gesund werden.