Einen wunderschönen ersten Dezembermorgen, liebe Begleiterinnen und Begleiter!
Ich muss gleich einmal ein bisschen ausholen, aber das kennt Ihr ja schon: Wir schreiben den 1.Januar 1872, die Karlsgasse 4 im vierten Wiener Gemeindebezirk hat einen neuen Bewohner. Einen "Zuagroasten". Manche vergleichen ihn schnell mit Beethoven, dem letzten großen Komponisten aus dem Nachbarland, der sich in der Stadt der musikalischen Träume auf ewig einen Namen gemacht hat. Johannes Brahms war schnell akzeptiert, das "Granteln" wie auch den Humor hatte er ohnehin im Blut, sein Interesse und die Faszination für die Natur, das Ländliche sowie die dortige Geselligkeit und Gemütlichkeit machten ihn schnell zum perfekten Wahlösterreicher.
Aber alles der Reihe nach: Auf der Suche nach Sommerfrische findet Johannes Brahms bereits in jungen Jahren zusammen mit seinem Vater Erholung im Salzkammergut und Ischl - und das war Liebe auf den ersten Blick. Von diesen schönen Eindrücken tief geprägt kommt er 13 Jahre später kommt wieder ins Ausseerland zurück. Doch nicht nur diese Region hatte es dem Meister angetan: Die Sommermonate der Jahre 1877 bis 1879 verbringt er in Pörtschach am Wörthersee, wo dem am Höhepunkt seines Ruhms angelangten Brahms Herz und Sinn aufgehen.
Am Stammtisch des von ihm geliebten Wirtshaus Werzer wird tagsüber gearbeitet und am Abend ruht Brahms unter den Erlen der Seewirtschaft Resian aus, wo ihm seine Tischgenossen kärntnerische Volkslieder vorsingen müssen. Apropos Volkslieder: Sein ganzes Leben sammelte Brahms Volkslieder aus ganz Europa. Ein besonderes Interesse galt natürlich auch dem reichen und so bunten volkskulturellen Erbe seiner so geliebten Wahlheimat, der österreichischen Erblande.
Dass die Sammlung "49 Deutschen Volkslieder WoO33" (Johannes Brahms an seinen Verleger: "Das einzige Werk, dessen Herausgabe mir Spaß macht") sein kompositorisches Schaffen quasi abschließt und krönt, ist kein Zufall. Deutschsprachige "Hits" wie "Da unten im Tale" funktionieren bis heute gleichermaßen als als deutsches oder auch alpenländisches Volkslied oder aber in Brahms' einzigartiger Klavierfassung, die dabei eine verbindende Konstante und gleichzeitig einen künstlerischen Höhepunkt bildet.
Ebendieses “Da unten im Tale” wurde, im adaptierten Lungauer Dialekt gesungen, wurde zu einem absoluten Signature-Lied für meinen Liedpartner Sascha El Mouissi und mich. Zum Erstaunen mancher Konzertbesucher ist es mittlerweile - meist als Zugabe und selbstverständlich im Dialekt- bereits in vielen großen und alt-ehrwürdigen Hallen erklungen und hat fast immer berührt. Diesem Lied liegt ein ganz besonderer Zauber inne, der sich uns zum Glück immer und immer wieder erschließt. Wenn Sascha und ich Volkslieder musizieren, dann vergessen wir alles, was um uns passiert, jegliche Anspannung, sowie der uns oft nahezu verfolgende Drang zum Perfektionismus sind wie weggezaubert. Plötzlich geht es “nur” mehr um den Moment, die Musik und das ausgedrückte Gefühl. Dann wird ausschließlich gespürt und alles wird so einfach. Einfach wie ein Volkslied. Einfach perfekt.
P.S.: Während Ihr das lest oder hört, dürfen Sascha und ich heute im Radiokulturhaus Wien einen - leider aus bekannten Gründen ohne Publikum stattfindenden Liederabend geben. Unser Konzert wird aufgezeichnet und wird dann am 21.Dezember auf Ö1 ausgestrahlt. Und ja, ihr habt es erraten: Da unten im Tale ist natürlich mit im Gepäck.