Liebe Freunde,
Oft sprudelt es nur so aus mir heraus, wenn ich meiner großen Begeisterung über die besprochenen Werke Ausdruck verleihen möchte. Als ich vor einiger Zeit begonnen hab, über den heutigen Ausschnitt aus der Rubinstein-Dokumentation „L’amour de la vie“ zu schreiben, fehlten mir zunächst komplett die Worte. Keineswegs war eine kleine Schreibblockade der Grund für den momentanen Stillstand, wie eine solche sich anfühlt, durfte ich durch diesen Adventskalender lernen. Spaß beiseite - diesmal war es ganz anders: Selten sieht oder hört man etwas und denkt sich: Es ist eigentlich schon alles gesagt - dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Darum will ich heute nur versuchen, kurz zu erklären, warum mir aus gutem Grund die Worte fehlen und warum das eigentlich sehr schön ist: Zunächst hört man da Musik, es erklingen die ersten Töne meines (und Rubinsteins) absoluten Lieblingswerk-Satzes, mit unglaublicher Hingabe vom Protagonisten am Flügel gespielt: Das Adagio aus Franz Schuberts Quintett in C, welches der Komponist kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Nach wenigen Augenblicken wird auch Menschen, die diese wundervolle Melodie zum ersten Mal hören, klar, dass es sich hier um ein absolutes Kronjuwel handelt.
Manchmal - sehr, sehr selten - ist es, als würde Musik vom Irdischen ins Überirdische überleiten, eine Brücke, oder wie Rubinstein es so wunderschön ausdrückt, “das Tor zum Himmel” bilden und den Weg zum eigenen Innersten weisen, zu dem, was wir Seele nennen. Die Töne, die Harmonien, die Melodie - alles verschwimmt und schwebt, wie von Zauberhand. Werk, Interpret und Zuhörer werden zur seligen Einheit.
Der Pianist Arthur Rubinstein - ein ausgewiesener Menschenfreund - hat in seinem Leben alles erlebt und erreicht, was man als Musiker erreichen kann. Und doch, nein, vielleicht gerade deswegen höre ich in seinen Worten keine Spur von Selbstgefälligkeit, Belehrung oder gar Arroganz. Wie er über die Musik, über Schubert, über das Quintett spricht… Es ist fast, als würde ein Kind erzählen, voller Dankbarkeit, voller Begeisterung, voller Liebe, voller Sehnsucht. Und dann fehlen selbst dem großen Meister die Worte: Er schweigt und lässt die Melodie im Gedanken weiterspielen. Und sie erklingt - so spürbar, so nah!
Das ist für mich mit die schönste musikalische Filmminute, die man auf diesem zig Milliarden Videos fassenden Portal finden kann. Bitte hört Euch - irgendwann in einer ruhigen Minute -das ganze Werk oder zumindest den zweiten Satz an. Da ist alles drin, was ich Euch jetzt noch so gerne sagen würde, Ihr aber ohnehin spüren könnt. Vielleicht kann, muss, soll man manche Dinge gar nicht ausdrücken. Da halte ich es lieber wie Rubinstein und höre Franz Schubert zu.
Denn wo das gesprochene und geschriebene Wort endet, beginnt die Musik.