Liebe Freunde,
Über meinen Volksmusik-Hintergrund muss ich an dieser Stelle ja nicht mehr ausführlich erzählen. Seit meiner frühesten Kindheit spielt auch das gesungene Volkslied eine große Rolle in meiner Familie. Die in meiner Region gesungenen Lieder leben meist von ihren Texten, sind musikalisch eher einfach gehalten. Mit der Diatonischen Ziehharmonika hab ich mich immer an die Grenzen des Instruments gewagt und dieses sogar extra umgebaut, um den relativ geringen tonalen Möglichkeiten zu entkommen, nun wollte ich das auch in der vokalen Volksmusik erleben.
Noch während meiner Schulzeit im Lungau ist mir dann zum Glück eine Kopie eines Volkslieds in die Hände gefallen, in einem vierstimmigen Chorsatz notiert. Neben der sich gleich einprägenden, wunderbar einfachen Melodie und den so sensiblen Worten hat mich vom ersten Moment an die Tatsache, endlich ein von Moll nach Dur modulierendes, alpenländisches VOLKSLIED zu hören, fasziniert. Was ich noch nicht wusste: Es handelt sich um ein vergleichsweise junges Werk vom Kärntner Musiker HANNES BENEDIKT (nach Worten von HUGO BRANDNER), ein Stück, das aufgrund seiner raffinierten Einfachheit innerhalb kürzester Zeit ins Volksliedgut überging.
Gerade im letzten Jahr habe ich mich für ein aktuelles Projekt intensiv mit Volksliedern unserer Regionen befasst und dabei dieses Juewl wieder gefunden. SASCHA EL MOUISSI und ich haben davon dann in weiterer Folge relativ spontan eine Kunstliedversion für Klavier und Bariton kreiert, nachdem wir uns zuvor lange mit BRAHMS‘ Versionen der Deutschen Volkslieder befasst hatten und ich dabei speziell mit Gesang im Dialekt experimentiert hatte. Ursprünglich nur für den Hausgebrauch und zu unserer persönlichen Freude bestimmt (Wohin das führt, sieht man ja gerade wieder an diesem Adventkalender) ist „Deine Hände’ möchte I gspian“ dann auf der CD „FREMDE HEIMAT“ gelandet und seither auch meist fixer Bestandteil der Zugaben nach unseren Liederabenden - immer gesungen in der Sprache meines Elternhauses.
Die Stimmung und die Reaktionen die wir beim Musizieren unseres Arrangements erleben dürfen, sprechen für sich und die tief berührende Qualität dieses Liedes, das uns Hannes Benedikt geschenkt hat. Danke!
Dass wir heute einen musikalischen Kurzfilm sehen, hat auch einen Grund: Während des ersten Lockdowns im März gab es ja - ähnlich wie aktuell - fast eine überbordende Reizüberflutung an Streamings und Homerecording-Videos. Jede Künstlerin und jeder Künstler wollte irgendwie präsent bleiben. Mir persönlich ist es nach der ersten großen Absagenflut ganz ähnlich gegangen - ich war voller Tatendrang und wollte für die vielen mir wohlgesinnten Menschen singen. Trotzdem hab ich gezögert: Auf den Social Media- Kanälen haben sich plötzlich Menschen in ihren eigenen vier Wänden mit ihren Mobiltelefonen singend beim Händewaschen oder Kochen gefilmt, der eine oder andere Steinway-Flügel hat durch das Telefonmikro den Klang eines Kinderkeyboards angenommen.
Das hat mich sehr verunsichert - dieser Trend hat allem widersprochen, wofür ich tagtäglich mein geliebtes Handwerk ausübe und entwickle. Ich habe es so gehalten, wie ich es in ähnlichen Situationen oft getan habe und länger nachgedacht und beobachtet.
Weniger ist mehr, lieber etwas Kleines, Schönes, als tägliche Präsenz. Zusammen mit Sascha El Mouissi wollte ich etwas entwickeln, was auch nach dieser Zeit Wert und Bestand hat und über das wir uns auch später noch freuen. Zusammen mit der hochtalentierten, jungen Designerin PIA PLANKENSTEINER entstand schließlich in vielen Stunden Handarbeit und ausschließlich im Homeoffice ein Musikvideo zu „DEINE HÄND’ MÖCHT I GSPIAN“. Ein echtes Heimprodukt also, selbstgestrickt und voll mit Emotionen und Energie - die war ja zuhauf vorhanden.
Irgendwie hat sowohl das Lied, als auch der einfach gehaltene Kurzfilm in einer Zeit, wo gerade das Umarmen und Spüren der Hände vom einen auf den anderen Tag zur Seltenheit wurde, offenbar einen Nerv getroffen und Trost gespendet. Wer hätte damals gedacht, dass wir davon in diesem Jahr noch so viel brauchen würden!
Euer Rafael