Hermann Hesse hat es einmal so formuliert: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft.zu leben“
Nun ja, so richtig BESCHÜTZT habe ich mich ehrlich gesagt nicht gefühlt, als ich, frisch vom Young Singers Project der SALZBURGER FESTSPIELE kommend, im Jänner 2016 als PAPAGENO an der SEMPEROPER mein Rollen- und Hausdebüt feiern durfte. Eher hat es sich angefühlt, als würde man in einen wunderschönen, aber eiskalten und unbekannten Gebirgssee springen, ohne zu wissen, ob man überhaupt schwimmen kann. Die Regie habe ich wochenlang und minutiös anhand eines alten Premierenvideos einstudiert, der musikalischen Part war bereits in meiner Jugend in- und auswendig gelernt.
Den szenischen Feinschliff holte ich mir dann - mangels Probebühne - in einem, zusammen mit meinem Papa selbstgebauten Bühnenbild aus Matten, Kästen und Seilen - während der Weihnachtsferien in der Turnhalle der Hauptschule Mariapfarr. In Dresden angekommen, durfte ich dann zum ersten Mal in die Welt eines großen Opernhauses eintauchen. GEHOLFEN wurde mir dort von allen Seiten: Von meinen Kolleginnen und Kollegen (besonders von „meinem“ ersten Tamino, Martin Mitterrutzner oder meinem Garderoben-Nachbarn und Zarastro, dem fantastischen Georg Zeppenfeld), sowie von den wunderbaren Spielleitern und Verantwortlichen der Semperoper. Maßgeblich für einen gelungenen Einstieg war aber das große VERTRAUEN, welches in mich gesetzte wurde. Rückblickend war das der wahre ZAUBER, der diesem Debüt inne wohnte. Am Ende blieb da - obwohl ich selbst aus Nervositätsgründen gar nicht so viel mitbekommen habe- ein zum Glück sehr erfolgreicher, spielfreudiger Abend und der Beginn einer tiefen Freundschaft zur Sächsischen Staatsoper.
Das schönste und ehrlichste Kompliment nach einer gelungenen Vorstellung ist immer eine Wiedereinladung: ich durfte von diesem Tag an für viele, wunderbare Opernabende an mein zweites Herzenshaus zurückkehren - zuletzt als Harlekin unter Christian Thielemans oder als Figaro im Barbiere di Siviglia. Eine Aufnahme von dieser, für mich persönlich bislang wichtigsten Premiere, gibt es leider nicht - die dankbare Erinnerung bleibt sehr präsent.
Für mich gilt und galt immer: Jener Ort, an welchem ich mich im Moment gerade befinde und wirke, ist perfekt. Das war während des Studiums so, in der Kirchenmusikszene in Salzburg ganz ähnlich und gilt bis heute: Ich versuche weder zu viel zurück, noch zu ausladend in die Zukunft zu schauen.
Es sind die zahlreichen Aufgaben im “Hier und Jetzt”, die mich faszinieren und die meine volle Aufmerksamkeit genießen. Eine Konstante von allen diesen Stationen ist und war die Freude an der Entwicklung und am „Handwerk“ Singen selbst. Mein beruflicher Weg verlief dann manchmal so schnell, dass ich selbst gar nicht mehr mitgekommen bin:
Nur wenige Monate später erfüllte sich ein absoluter künstlerischer Lebenstraum. Gegen Ende der Spielzeit 2015/2016 wurde ich als festes Ensemblemitglied an die Wiener Staatsoper engagiert. Dort angekommen, galt es zunächst einmal Repertoire, Repertoire und noch einmal Repertoire zu lernen und mit den großen Aufgaben (möglichst schnell) zu wachsen. Meine allererste Feuerprobe auf der Bühne war dann - wieder einmal - der Harlekin in Ariadne auf Naxos. Zwar nicht im Haus am Ring (das Wiener Hausdebüt erfolgte dann als Dr. Falke in der Fledermaus), sondern im Rahmen eines Gastspiels der Wiener Staatsoper in Tokio. Mit auf Tournee war die 1A Besetzung der Wiener Philharmoniker, unter dem großartigen Dirigat Marek Janownskis und mein echtes Staatsopern-Debüt wurde von so wunderbaren Kolleginnen und Kollegen wie Daniela Fally, Stephen Gould, Wolfgang Bankl oder Gun-Brit Barkmin bereichert. In Dresden war ich mir der Schwierigkeit der Herausforderung zwar durchaus bewusst, durfte aber trotzdem eine Art Welpenschutz genießen und konnte als Papageno meine jugendliche Unbekümmertheit und meinen Schmäh voll ausspielen. In Wien, etwas später, gestaltete sich die Situation schon ein wenig anders. Das mag rückblickend auch daran liegen, dass ich mir als österreichischer Sänger an diesem, meinem Heimathaus immer besonderen Druck auferlegt habe, da ich mir zu jeder Sekunde der Tradition, Ehre und Verantwortung, die man als Repräsentant der Wiener Staatsoper nun einmal hat, bewusst war.
Meine ersten, in einer Staatsopern-Vorstellung von mir gesungenen Minuten, seht ihr heute im Originalvideo - die Harlekin-Arie ist ja gleich am Beginn des Stückes. Das war ein kleiner Moment in einem von Höhepunkten gespickten Staatsopernjahr, aber ein ganz, ganz großer in meinem persönlichen Werdegang.
Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an die so wunderbar gespielte Klarinetten-Einleitung von Matthias Schorn und meine zeitgleiches Herzklopfen denke:
Nur Augenblicke später war wieder der Zauber des Vertrauens spürbar, jede Nervosität ist verschwunden und ich war einfach nur glücklich, zusammen mit so großartigen Musikerinnen und Musikern auf der Bühne stehen zu dürfen. Es war ein wunderbarer Einstand fern von Wien, und mit der Zeit folgten auch in der Hauptstadt der Musik viele wunderbare (Traum)Rollen und eine wunderschöne Beziehungsgeschichte, die hoffentlich bald um Ihr nächstes Kapitel erweitert wird.
Alle guten Dinge sind drei: Ein Debüt, das für mich als Liedliebhaber einen unglaublich hohen Stellenwert einnimmt, war unser Festival-Debüt bei der SCHUBERTIADE mit Franz Schuberts Lied-Zyklus „Die schöne Müllerin”, das ich zusammen mit meinem Freund Sascha El Mouissi feiern durfte. Mit diesem Königswerk dort debütieren zu dürfen, kam (O-Ton Vorarlberger Nachrichten) zwar einem Ritterschlag gleich, steigerte aber auch die Erwartungshaltung ins Unermessliche. Überhaupt hatten sich im April 2018 die Umstände komplett geändert: Der Kalender, auch abseits der Wiener Staatsoper, war „bummvoll“ und minutiös durchgeplant: Urlaubstage in Wien waren rar und so fand mein Debüt in Hohenehms zwischen der Generalprobe und Premiere von Zimmermanns „Die Soldaten“ (in beeindruckender Calixto Bieito-Regie) am TEATRO REAL in Madrid statt.
Das Konzert selbst war wie ein wilder Ritt auf der Gefühlsachterbahn: Selten habe ich ein kritischeres Publikum erlebt, selten war ich während eines Liederabends aufgeregter. Der Abend hing eine Zeit lang am berühmten seidenen Faden - Wer ist denn dieser Fingerlos, der heute hier bei uns singen darf? - Am Ende war es eine gefühlte Ewigkeit still, der Saal und die Künstler waren gerührt. Die VN titelten dann einen Tag später auf ihrer Kulturseite - die letzten beiden Schubertiaden-Konzerte besprechend: „Eine geglückte Müllerin und eine ausgeklügelte Wiener Klassik Abfolge - Bariton Rafael Fingerlos und Pianist Kit Armstrong boten Herausragendes“ Damals war es mir schon bewusst, heute, einige Müllerinnen später und insgesamt einiges an Erfahrungen reicher, umso mehr: Herausragend war es lange noch nicht, aber dafür ehrlich und ordentlich. Dafür bin ich sehr dankbar!
Wie schön, dass gleich zwei der drei heute vorgestellten Debüts dokumentiert sind: Das gibt mir jetzt, wo die Konzertsäle leider wieder geschlossen bleiben müssen und die Bühnen höchstens per Livestream besucht werden können, noch einmal die Gelegenheit, diese Abende mit dem nötigen Abstand Revue passieren zu lassen. Mit der Erinnerung überkommt mich dann sofort eine stille, tiefe Dankbarkeit und ich kann nicht anders, als mich voller Optimismus und Vertrauen auf alle Herausforderungen zu freuen, die meine Berufung in Zukunft für mich bereithält.